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Einfach

Wenn wir Entwicklung planen, fällt im Gespräch früher oder später das Wort einfach. Entweder als Frage, Suggestion oder Versprechen. Ist das einfach? Ist das denn nicht einfach? Ja, das ist einfach.

Das Wort einfach ist irreführend. Es hat auf alle eine ähnlich beruhigende Wirkung, ist aber in seiner Bedeutung subjektiv und wandelbar. Man sollte davon ausgehen, dass man keine Ahnung hat, was sich ein Gegenüber unter einfach genau vorstellt. Was für dich einfach ist, mag es für dein Team nicht sein. Was für dich heute einfach ist, mag es morgen nicht mehr sein. Und umgekehrt, Menschen lernen. Alle denken bei dem Wort an etwas anderes und ändern ihre Ansichten dazu im Lauf der Zeit. All das bleibt unausgesprochen. Was uns besonders einfach und deshalb selbstverständlich erscheint, sprechen wir selten an, weil wir annehmen, dass andere ähnlich denken wie wir.

Das Wort einfach dient nicht der Klärung eines Sachverhaltes, sondern ist eine rhetorische Figur. Sie wischt Zweifel beiseite und signalisiert Ambition. “Ist das nicht einfach?”, ist keine harmlose Frage. Es ist leichter, dieses Wort in den Raum zu stellen, als dagegen anzukommen. Man muss dann mit der selben Ruhe, Selbstverständlichkeit und Kürze Komplexität und Ungewissheit kommunizieren. Das gelingt nicht allen. So bleibt berechtigter Einwand gerne verzagte Klage. Leichtgläubige Menschen können so unter Druck gesetzt werden, über sich und ihre Meinung hinauszuwachsen. Dass alle dazu tendieren, Arbeitslast zu unterschätzen, unterstützt diese Dynamik.

Wir entwerten Arbeit, wenn wir sie als einfach beschreiben. In gleicher Weise schaden wir uns selber, wenn wir eine eigene Aufgabe mutig als einfach bezeichnen. Man mag uns zunächst für das Versprechen bewundern, aber bald schon dreht sich der Wind und unsere Arbeit steht nur noch im Zeichen einer Schuld, die eingelöst werden muss. Für andere ist die Sache bereits erledigt, während wir dem unterschätzten Aufwand hinterher rennen. Unser Team wird am Ende eines möglichen Marathons für die Leistung nicht belohnt. Endlich wurde die einfache Aufgabe gelöst, wieso hat das so lange gedauert? Alle unfähig?

Das Wort einfach ist auch ein schlechter Ratgeber, wenn es darum geht, ob man etwas tun sollte oder nicht. Mit Einfachem füllen wir gerne vermeintliche Lücken und zerstören so zeitliche und mentale Reserven. Diese benötigen wir aber, um später beweglich zu bleiben. Nur wenige Dinge erscheinen überarbeiteten Leuten einfach. Wenn etwas kritisch für ein Produkt ist, packt man es an. Machbarkeit bleibt ein Thema, aber wir können viel mehr als einfach. Das Wort ist ein Warnsignal dafür, genauer hinzuhören und nachzuhaken, weil es meistens etwas verdeckt. Es ist möglich und hilfreich, das Wort während einer Planung zu vermeiden.

Einfach ist ein nutzloses Wort, kommen wir ohne aus? Schon als Kinder verkünden wir stolz, dass etwas baby-einfach sei, Erwachsene sagen kinderleicht. Einfach beschreibt ein für uns selbst wichtiges Gefühl – endlich keine Angst, keine Probleme, alles unter Kontrolle. Einfach ist eine warme Decke, Augen zu. Wenn wir Gespräche führen wollen, die darüber hinausgehen sollen, müssen wir nach besseren Worten suchen. Nächstes Mal, wenn wir einfach sagen wollen, auf die Lippen beissen. Nachhaken, wenn wir solche Gespräche hören: “Ist das einfach? – Ja, das ist einfach. – Sehr schön!”

 

September, 2022